Languedoc-Rousillon – Ein (kulinarischer) Reisebericht

Der Urlaub führte mich dieses Jahr nach Südfrankreich, in die Region Languedoc-Roussillon, genauer: in die Gegend um Narbonne. Preisfrage: Was tut ein Essverückter, wenn er in den Urlaub fährt – noch dazu nach Südfrankreich? Richtig. Und von all den „Esskapaden“, dem Kochen, dem Probieren und Schmecken (und ein wenig auch von dem Drumherum) möchte ich hier berichten. Diesmal mit mehr Text, mehr Bildern und mehr Informationen, somit ist dieser Beitrag auch der erste in der Rubrik Reportagen. Diese soll vor allem das zu Beginn des Blogs ausgelobte Versprechen einlösen: „die vielgestaltigen Erfahrungen herauszuarbeiten, die Kochen und Essen umgeben, transzendieren“.

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Natürlich soll dies keine erschöpfende Besprechung aller Facetten des Languedoc-Roussillons  sein, dazu bin ich zu faul und sie wollen nach dem Lesen ja sicher selbst einmal dorthin gehen, um selbst alles sehen und schmecken zu können. Deshalb beschränke ich mich auf einige Gedanken zur Landschaft und zum Klima, zum Wein und – wer hätt’s gedacht! – zum Essen.

Landschaft und Klima

Der Franzose, vor allem der weinaffine, würde das Folgende wohl einfach unter dem ominöse Begriff des Terroirs zusammenfassen und beschreiben. Diesem Begriff und seiner Bedeutung ist wohl in näherer Zukunft ein eigener Artikel zu widmen, bleiben wir also zunächst bei Landschaft und Klima.Garrigue
Die Region Languedoc-Roussillon ist die sonnigste Region im ohnehin sonnenverwöhnten Südfrankreich. Trotzdem entwickelt sich kaum eine drückende, schwere Hitze, wofür hauptsächlich die verschiedenen Winde verantwortlich sind. Der aus Norden kommende Tramontane, das Äquivalent des weiter im Osten aus dem unteren Rhônetal wehenden Mistral, und der vom Meer her wehende Marin sind die beiden hauptsächlich vorherrschenden Winde, derer es in der Region insgesamt elf verschiedene gibt. Auch der omnipräsente Weinbau wird maßgeblich von diesen Winden beeinflusst, wie weiter unten noch zu lesen sein wird.
Die durch wenig Niederschlag ohnehin vorherrschende Trockenheit wird durch den wirklich pausenlos wehenden Wind zusätzlich verstärkt, entsprechend ist das typische Landschaftsbild geprägt von Pinien, Olivenbäumen und der zwischen allem wachsenden Garrigue, einer mediterranen Heidelandschaft. MeerlandschaftDabei handelt es sich um allerlei wilde Kräuter, darunter Rosmarin, Thymian und wilder Fenchel, die den kargen, dürren Böden trotzen und dabei eine unglaubliche Aromenvielfalt hervorbringen, die natürlich auch den Weg in die regionale Küche gefunden hat.
Es finden sich allerdings auch zunächst unerwartete Formen der Landwirtschaft, so stellt sich eine sattgrüne Wiese bei näherer Betrachtung als Reisfeld heraus. Dies wird durch die einige Kilometer ins Land hineinreichenden Ausläufer der Camargue ermöglicht, die den hohen Wasserbedarf des Reis decken.
Eine unbedingt zu erwähnende und – für fern des Meeres Wohnende wie mich – höchst ungewöhnlich Form der Landwirtschaft ist die Meersalzgewinnung. Hier ist die Salin de l’Île de Saint-Martin in Gruissan zu sehen, bei der nach traditionellem Verfahren (Handarbeit!) über mehrere in das Meer gegrabene Becken hinweg das Meerwasser so lange verdunstet wird, bis das Salz schließlich kristallisiert und zu Boden sinkt. In der Küche eignet sich das grobe Salz besonders zum Garen von Fisch und Fleisch in der Salzkruste, wovon man sich im sehr zu empfehlenden, an die Saline angeschlossenen Restaurant ein Bild machen kann.

Boot

Wein

Die Beschreibung des Landschaftsbildes hätte korrekterweise so zu erfolgen: wo man hinschaut gibt es Wein, dreht man sich um, sieht man noch mehr Wein, und wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man zwischen den Reben einige Olivenbäume, Pinien und Garrigue. Reben

Man begreift schnell, warum in der Region Languedoc-Roussillon die meisten Weinflaschen Frankreichs abgefüllt werden, insgesamt rund 25% der gesamten Weinproduktion. Dabei befindet sich das Gebiet in weiten Teilen noch immer im Wandel, von einer quantitativ orientierten Massenproduktion hin zu handwerklich erzeugten Weinen, bei denen Qualität und das jeweils vorherrschende (aufgepasst!) Terroir im Mittelpunkt stehen. So wird derzeit praktisch das gesamte Spektrum abgedeckt, vom einfachen, für Genussexzesse weniger geeigneten Gutswein (korrekt: „Vin de France“) bis zum vielschichtigen, präzise vinifizierten Spitzenwein. Für den Kunden gestaltet sich somit vor allen Dingen die Auswahl eines zu seinen Vorstellungen passenden Weinguts aus der schier unüberschaubaren Menge als schwierig, dafür wird er bei den Weinen mit meist recht angemessenen Preisen belohnt. Dies dürfte einerseits dem hohen Angebotsdruck geschuldet sein, andererseits dürfte die hauptsächlich mit Hilfe von Maschinen vollzogene Ernte ihren Teil dazu beitragen. ErnterEben jene maschinendominierte Ernte, die zumindest bei den von mir besuchten Winzern selbst bei deren Spitzenweinen (preislich bei rund 40€ pro Flasche) zum Einsatz kommt, zeigt meiner Meinung nach, dass der beschriebene Umbruch vielerorts noch lange nicht als abgeschlossen zu bezeichnenden ist. Die Aussage einer Winzerin, wonach die Handernte ein mehr oder weniger romantisches Relikt älterer Tage sei, dass bei dramatisch höherem Zeit- und Geldaufwand prinzipiell keinerlei qualitätssteigernde Vorteile mit sich bringe, ist ein besonders haarsträubendes Zeugnis einer teilweise vorherrschenden Grundeinstellung, die womöglich eines weiteren Paradigmenwechsels bedarf, will man auch den Sprung in die internationale Topriege schaffen. Dennoch, viele Winzer setzen bereits zumindest in Teilen auf eine Handernte, oft sogar mit nochmaliger Kontrolle des Leseguts. Offenbar gibt es sie noch, die Romantiker, die betriebswirtschaftlichen Laien des Languedocs…

Von den Weinen aus dem Languedoc-Roussilon, zu 70% rot und zu je 15% weiß bzw. roséfarben, sind besonders die Roten meist voll entwickelte, schwere Weine mit viel Tannin und einem an reife Waldfrüchte erinnernden Geschmack. Alkoholwerte von 14% sind eher die Regel als die Ausnahme, die Kunst scheint es zu sein, die damit einhergehende Schwere durch eine regulativ wirkende Säurestruktur auszubalancieren. WeinfässerDies gelingt einigen Winzern ausgezeichnet gut, sie bringen damit Weine hervor, die ein idealer Begleiter von Schmorgerichten, einem Daube de Bœuf oder dem in der Region traditionell zubereiteten Cassoulet sind.

Essen

Womit wir beim interessantesten Thema angekommen wären. Wie es für die unglaubliche Fülle und regionale Differenziertheit der Französischen Küche charakteristisch ist, so hat auch das Languedoc-Roussillon seine Spezialitäten, allen voran das bereits genannte Cassoulet. Wer frischen Fisch, reifes Gemüse, Patisserie oder verschiedenste Oliven sucht, wird auf den Märkten oder in der Markthalle von Narbonne fündig. Schnell wird offenbar, warum Frankreich den Ruf des Feinschmeckerlandes genießt, denn selbst wenn nicht „Feinkost“, „Epicerie Fine“ oder ähnliches auf dem Etikett steht gibt es wenig, das unreif oder geschmacksfrei wäre. Sicherlich, die Bauern und all die anderen Produzenten der Region können klimabedingt aus dem Vollen schöpfen, aber dennoch braucht es den Willen und die Leidenschaft, ein schmackhaftes Gemüse, einen frischen Fisch oder eine fein abgeschmeckte Pastete auch so zu produzieren, wie es einem die Umstände ermöglichen. MarkthalleDiese Einstellung, diese Leidenschaft dem Essen und dem Essbaren gegenüber ist es, die einen Frankreichbesuch in kulinarischer Hinsicht jedes mal zu einer Faszination werden lässt. Diese Einstellung ist es auch – und ich möchte damit weiß Gott nicht das abgedroschene und falsche Klischee des Siesta-faulen Südländers bemühen! – die nicht nur im Süden Frankreichs über die Mittagszeit die Geschäfte schließen lässt und die Beschäftigten an die Mittagstische der Restaurants spült. Nicht um zu Schlemmen oder zu Schlingen, vielmehr um einen unkomplizierten und leichten Plat du Jour zu essen. Wäre das nicht was?
Dabei ist es gar nicht so sehr die Kochtechnik (diese ist in der Französischen Küchen zweifelsohne ebenfalls höchst entwickelt), die den Gerichten ihre Finesse verleiht, vielmehr sind es eben jene Produkte, die von sich aus bereits so viele Aromen und Geschmackseindrücke beisteuern, dass es oft keiner aufwändigen Zubereitung bedarf, um ein frisches, wohlschmeckendes Gericht zu bekommen. PlatduJour
Bleibt zu sagen, dass es hier bald noch ein Rezept für ein traditionelles Cassoulet aus dem Languedoc gibt, der herannahende Herbst und der mit passenden Weinen aufgefüllte Keller sind  dazu die passende Gelegenheit! Wer nun tatsächlich dazu geneigt ist das Languedoc zu besuchen, der ist erstens zu beglückwünschen, sollte aber zweitens darauf hingewiesen werden, dass er möglichst außerhalb der französischen Ferienzeit gehen möge und dass  drittens die Inneneinrichtung südfranzösischer Ferienwohnungen eher unluxuriös ist, wer auf eine vollausgestattete Unterkunft Wert legt sollte also genau hinsehen. In diesem Sinne: Bon Voyage!

Schlussbild

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